Tirol und die Nordischen

© Axel Springer, Erich Spiess
Herr Innauer, wann hat sich Ihre Sportart, das
Skispringen, in Tirol verbreitet?
Toni Innauer: 1927 war das erste Skispringen auf einer
Naturschanze am Bergisel. Die Vierschanzentournee ist
bereits über 60 Jahre alt, das heißt, das erste
Tourneespringen fand am 3. Januar 1952 statt. Einen
wichtigen Impuls haben dann aber die Olympischen Spiele
1964 in Innsbruck und auch die
Studentenweltmeisterschaft in Absam gegeben. Auch die
Gründung des Skigymnasiums Stams war ein wichtiger
Schritt. Zu Beginn wurden dort noch keine nordischen
Sportarten angeboten, aber ab 1970 kamen Skispringer
dazu, die bald schon international erfolgreich waren.
Kann man beim Skispringen von Breitensport
sprechen?
Nur was die Breite der Ski betrifft (lacht). Es ist
immer ein Spitzensport gewesen, es gibt zwar seit
einigen Jahrzehnten eine Masterszene, also Menschen in
meinem Alter, die noch kompetitiv Skispringen. Aber das
ist ein sehr exklusiver Abenteuersport. Skispringen ist
wie Akrobatik im Schnee.
Zur Person:
Der 1958 in Vorarlberg geborene Toni Innauer holte 1980 bei den Olympischen Winterspielen in Lake Placid Gold auf der Normalschanz. Er war 1976 der erste Springer, der von allen fünf Sprungrichtern die Bestnote 20 erhielt. Bis heute ist der „perfekte Sprung“ nur sechs weiteren Athleten gelungen.
Nach seinem frühen Karriereaus arbeitete Innauer als Cheftrainer der Skispringer bzw. als Nordischer Sportdirektor beim ÖSV. 2010 zog er sich aus der Funktionärstätigkeit zurück und ist seitdem mit www.innauer+facts.at selbstständiger Berater und Unternehmer.
Das Langlaufen ist im Gegensatz zum Skispringen
eindeutig ein Breitensport. Wie entwickelte sich diese
nordische Sportart in Österreich und Tirol?
Es hat natürlich auch hier einzelne Vorreiter gegeben,
aber sicherlich waren ebenfalls die Olympischen Spiele
1964 ein wichtiger Impuls, als man gesehen hat, welche
Geschwindigkeit die Skandinavier draufhatten. Da hat man
im ÖSV beschlossen, dass man den österreichischen
Athleten die Möglichkeit geben muss, ganzjährig zu
trainieren. Das ganze Spektakel im Fernsehen war sicher
auch ein Treiber für den Breitensport, auch die
Nordischen Weltmeisterschaften in Seefeld 1985 oder die
Olympischen Spiele 1976. Mit dem Sammeln von Erfahrungen
hat sich der Langlauf auch in anderen Gemeinden
ausgebreitet und man hat Loipen gebaut. Man hat gemerkt,
dass sich das Gelände gut eignet und der Langlauf eine
Alternative und gute Ergänzung zum alpinen Skifahren
ist.
Ihre aktive Zeit als Skispringer ist mittlerweile
über 30 Jahre her. Was hat sich im Sport
geändert?
In einem Satz könnte man sagen: Die Leute springen
heute, vor allem durch den V-Stil und größere Schanzen
mit weniger Anlauf, deutlich weiter als früher.
Natürlich hat sich technisch viel getan, aber der Sport
schützt sich auch davor, dass er rein
technologiegetrieben ist. Es soll das Können der
Sportler und nicht das Material entscheiden.
Mit der Einführung des Weltcups, dem Fall des
Amateurparagrafen bei Olympia und durch kluge
Produktentwicklung wurde Skispringen auch im Fernsehen
zur „Formel 1 des Winters“. Wir sind noch für 10 D-Mark
Taggeld gesprungen, moderne Skispringer können gut Geld
verdienen.

„Ich bin zuversichtlich, dass die Nordische WM in Seefeld ähnlich wie die WM 1999 in der Ramsau wichtig für den Stellenwert der Nordischen sein wird.“
Welchen Stellenwert nehmen die nordischen Sportarten
im Vergleich zum alpinen Skifahren im ÖSV ein?
Wir Skispringer haben lange an der Qualität des Sports
und guten Wettkampfformaten gefeilt. Die
TV-Einschaltquoten beim Skispringen sind weltweit
deutlich höher als bei Ski Alpin. Wir haben lange
dagegen gekämpft, dass man uns als fünftes Rad am
Skisport-Wagen behandelt. Gerade in Österreich und
Deutschland haben wir das im Lauf der Jahre mit
erfolgreichen Sportlern und Trainern auch sehr gut
geschafft. Wir haben das Gefühl, dass wir wesentlich für
den Wintersport sind und ihn auch nachhaltig mitprägen.
Im Februar 2019 findet die Nordische Ski-WM in
Seefeld statt. Wie profitiert Tirol von so einer
Veranstaltung?
Wenn man solche Ereignisse gut über die Bühne bringt,
hat man die Möglichkeit, Tirol mit seinen
Voraussetzungen für Langlauf, dem herrlichen Umfeld und
den schönen Loipen so ins Bild zu rücken, dass uns die
Leute diese Kompetenz zu Recht zutrauen. Das beginnt
schon bei der Vorbereitung, man ist, was
Wettkampfstätten, Loipennetz und Erreichbarkeit
betrifft, absolut am Puls der Zeit. Von solchen
infrastrukturellen Maßnahmen profitieren der Tourismus,
die Vereine, der Tiroler Skiverband, das Skigymnasium
Stams und letztlich der bewegungsbegeisterte Teil der
Bevölkerung.
Werden Sie an der WM auch beteiligt sein?
Ich bin für das ZDF wieder als Experte im Einsatz. Das
ist eine sehr ehrenvolle Aufgabe, unserem auch
touristisch wichtigen Nachbarn Deutschland das
Skispringen übermitteln zu dürfen und als Österreicher
Botschafter des Sports zu sein.
Vielen Dank für das Gespräch.
FIS Nordische Ski Weltmeisterschaften
19. Februar bis 3. März 2019 in Seefeld
Die WM umfasst Bewerbe in den Sportarten Langlaufen, Skispringen und Nordische Kombination. Sowohl Einzel- als auch Teamkonkurrenzen werden ausgetragen. Bei der Nordischen Kombination gibt es nur Herrenbewerbe, beim Langlaufen und Skispringen gehen auch Frauen in eigenen Bewerben und im Mixed-Team an den Start.
Auswahl österreichischer Hoffnungsträger:

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