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MEGATRENDS

Reisen nach Maß

Urlaubswünsche unterscheiden sich: Strand und Sonne, Kultur und Erlebnis oder Sport und Abenteuer. Urlauber wollen ihre Zeit nicht nur effizient nutzen, sondern auch möglichst individuell. Dieser Trend wird sich fortsetzen – aber nicht so wie bisher.

MÄRZ 2019Text: Daniel Feichtner
Megatrends Individualisierung

© Shutterstock.com, Daniel Dominik

Einzigartig, maßgeschneidert und auf den Benutzer angepasst: Es gibt keine Branche, die nicht in irgendeiner Form auf Individualisierung setzt. Entweder mit Möglichkeiten, Produkte persönlich anzupassen, egal ob Turnschuh oder Burger – oder mit extrem breitem Angebot unter einem Dach wie bei Amazon. „Das ist im Tourismus nicht anders“, bestätigt Florian Kondert, der am Zukunftsinstitut forscht. Stein des Anstoßes war auch dort die Technologie: „Früher gab es einen Reisekatalog. Dort wurde man fündig – oder nicht. Für Durchschnittsreisende ohne extrem großes Budget war das alles, was zur Verfügung stand.“

Masse, Technologie und Konkurrenz

Früher bestimmten die Zahl an potenziellen Kunden und damit Wirtschaftlichkeit das Angebot. Geboten wurde, was sich der Masse verkaufen ließ. Mit zunehmenden Gästezahlen wurden Pakete zwar differenzierter, sie blieben jedoch genau das: zielgruppenspezifisch vorgeschnürte Angebote. Eine drastische Änderung brachte die Digitalisierung. Sie erlaubt nicht nur, Reisen von Anfang bis Ende zu konfgurieren. Auch der Vergleich fällt deutlich leichter. Die Konkurrenz ist nur wenige Mausklicks entfernt. So werden Konsumenten nicht nur mündiger, sondern auch kritischer und beginnen, Angebote zu kombinieren. Und auch die potenziellen Gäste werden immer mehr. „All das steigert den Wettbewerbsdruck enorm“, erklärt Kondert. „Jeder Mitbewerber glaubt, sich abheben zu müssen. Und das Mittel zum Zweck sind oft noch mehr Optionen, noch mehr Konfigurationen und noch mehr Möglichkeiten.“

Florian Kondert

„Früher gab es einen Reisekatalog. Dort wurde man fündig – oder nicht.“

Florian Kondert, Mitglied der Geschäftsführung, Zukunftsinstitut

Aus dieser Kombination aus Konsumentenwunsch, technischer Machbarkeit und Wettbewerb ist ein Ping-Pong-Effekt entstanden, der sich hochschaukelt – „zum Teil mit sinnvollen Ausprägungen, aber mitunter auch weit darüber hinaus“, meint der Experte. Doch wie bei jeder Entwicklung werde es auch hier zur Stagnation kommen – beziehungsweise geschehe das schon. „Ein Angebot mit vielen Optionen erzeugt Entscheidungsdruck – und damit Stress“, so Kondert. Spätestens wenn es zu viele Auswahlmöglichkeiten gibt, die eigentlich keine Bedeutung für den Konsumenten haben, wird das Alleinstellungsmerkmal zum Nachteil gegenüber der Konkurrenz. Und schlussendlich gilt: Wenn alle alles individualisieren, ist am Ende nichts mehr besonders.

Fokuswechsel

Das heißt noch lange nicht, dass das Bedürfnis nach Individualität damit ein Ende haben wird. Nur wird es sich anders ausprägen, ist der Zukunftsforscher überzeugt. Anstelle der eierlegenden Wollmilchsau wird zielgerichtete Individualisierung in den Bereichen, auf die die Gäste wirklich Wert legen, an Gewicht gewinnen: „Das sind oft Dinge, die sich außerhalb der Kernkompetenzen des Tourismus bewegen.“ Der CO2-Fußabdruck sei ein gutes Beispiel: „Viele Reisende werden heute weniger Wert auf eine komplett individualisierbare Route legen, wenn sie einen Anbieter finden, der stattdessen eine möglichst ökologisch verträgliche Reise anbietet.“

„Ein Angebot mit vielen Optionen erzeugt Entscheidungsdruck – und damit Stress.“

Individualisierung mit Spezialisierung

So wird Quantität teilweise Qualität weichen – natürlich mit Einschränkungen. Gleich wie bei Online-Händlern rechnen die Forscher des Zukunftsinstituts damit, dass sich auch im Reisesektor die Individualisierungs-Anbieter durchsetzen werden, die ihre Sache richtig gut machen. Ein Markt dafür bestehe. Der Einzige im Tourismus ist er aber nicht: „Es gibt weit mehr als eine Zielgruppe“, meint Kondert. „Man nehme zum Beispiel die Generation Global. Für sie stehen weder Luxus noch das perfekte Angebot im Fokus einer Reise.“ Stattdessen sieht diese elitäre, aber zusehends wachsende Gruppe das Reisen als essenziellen Bestandteil ihres Lebens. Sie erwarten sich Erfahrung, Weiterentwicklung und persönliches Wachstum – ein haptisches, persönliches und berührendes Erleben, das in keinem Auswahlmenü erfasst werden kann.

Mit ihren Motiven verändern sich auch die Bedürfnisse der Reisenden und damit die Prioritäten, die der Tourismus setzen muss: „Die größte Herausforderung wird es sein, zu verstehen, warum meine Gäste reisen“, ist sich Kondert sicher. „Daran kann ich mich anpassen und vielleicht statt 20 nur noch zehn Möglichkeiten bieten, den Urlaub nach Maß zu planen.“ Die so freigewordenen Ressourcen könne man nutzen, die verbleibenden Optionen in höchster Qualität umzusetzen. Denn Nischen gäbe es viele. „Aber es braucht Mut sie zu finden und zu nutzen. Individualisierung wird weiter wichtig sein – aber bei Weitem nicht alles.“

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