Ohne Dialog keine Demokratie

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Herr Hofer, warum müssen wir als Gesellschaft einen Dialog – oder eher Dialoge – führen? Thomas Hofer: Weil ansonsten die gemeinsame Basis verloren geht und damit der für eine Gesellschaft so zentrale Grundkonsens. Derzeit gibt es leider die Entwicklung, dass wir nicht einmal mehr grundlegende Fakten außer Streit stellen können, dass selbst wissenschaftliche Erkenntnisse nichts zählen. Jeder zimmert sich so seine eigene, oft faktenbefreite Welt und sucht auch nur mehr nach die eigene Meinung bestärkenden Informationen. So kann’s nur schwer Dialog geben.
Gibt es Themen, die nie zur Debatte stehen dürfen – zum Beispiel Grundrechte –, oder muss in einer Demokratie über alles geredet werden? Reden darf man schon auch darüber, und auch die demokratisch legitimierten Vertreterinnen und Vertreter haben zuletzt schon den Fehler gemacht, alles vorauszusetzen und Prinzipien nicht mehr zu erklären. Aber abstimmen kann man zum Beispiel nicht über alles. Da herrscht dann schon auch ein eher eigenartiges Verständnis von „direkter Demokratie“. Über Menschenrechte kann man etwa nicht abstimmen. Und genauso ist es falsch, grundsätzlich davon auszugehen, dass immer die Mehrheit „recht“ hat.
Die Gesellschaft wirkt so polarisiert und zersplittert wie nie. Ist in diesem Klima ganz grundsätzlich überhaupt ein Dialog möglich im Sinne eines offenen, respektvollen Meinungsaustauschs mit dem Ziel, eine gemeinsame Lösung zu finden? Es wird immer schwerer, auch weil wir uns hin zu einer „Emokratie“ bewegen, in der jedes Thema nur mehr über die pure Emotion abgehandelt wird. In diese Emotion verpackt ist oft auch die Abneigung gegenüber anderen. Und das ist gefährlich, denn um die Sache geht es dabei nicht mehr. Ein Blick in die USA zeigt uns, wozu das führen kann. Da kann dann ein Donald Trump alles behaupten – und auch wenn das den objektiven Fakten diametral widerspricht, glauben es ihm genügend Menschen. Eben weil sie emotionalisiert und einfach rein auf der Gefühlsebene unterwegs sind.
„Wir bewegen uns hin zu einer ‚Emokratie‘, in der jedes Thema nur mehr über die pure Emotion abgehandelt wird.“
Kann es zu spät sein, um noch in einen Dialog zu treten? Kann man zum Beispiel Querdenker und ähnliche Gruppen noch erreichen, oder sind die Fronten zu verfahren? Derzeit scheint es schon so, als seien diverse Gruppen für den demokratischen Prozess verloren. Die Frage ist, wie klein diese Gruppe gehalten werden kann. Denn alle wird man nie erreichen. Aber für den großen noch erreichbaren Rest ist es wichtig, dass emotional alle Seiten abrüsten. Es bringt auch nichts, wie es schon in Wahlkämpfen passiert ist, eine Gruppe als „Modernisierungsverlierer“ und „gesellschaftliche Absteiger“ zu disqualifizieren. Dass das auch eine emotionale Reaktion nach sich zieht, ist kein Wunder. Und so etwas trägt dann eben noch einmal zur Polarisierung bei.
Wenn ein Gespräch zum Scheitern verurteilt ist: Ist es besser, es gleich bleiben zu lassen oder sich trotzdem darauf einzulassen? Die Frage ist, mit welcher Zielsetzung man in ein Gespräch geht. Oft wird es unrealistisch sein, das Gegenüber völlig umzudrehen. Diese Alles-oder-nichts-Situationen sind tatsächlich schwer lösbar. Wenn man sich aber realistischere Ziele setzt und nicht gleich den argumentativen Triumph auf allen Ebenen anstrebt, ist es vielleicht auch einfacher, im Gespräch zu bleiben.
Wie steht es generell um die Gesprächskultur in Österreich? Die Aggression ist noch nicht so weit verbreitet wie etwa in den USA, wo die Mitte zur Minderheit zu werden droht. Aber natürlich sind der aufgeheizte politische Diskurs, die zunehmenden auch persönlichen Attacken und dazu schon auch die Zersplitterung der medialen Landschaft inklusive der eigenartigerweise „sozial“ genannten neuen Medien schon eine Mischung, die eben Gesprächsunkultur fördert.
Fallen Ihnen Beispiele ein, wo der gesellschaftliche Dialog aktuell gut funktioniert? Das gelingt wohl noch am ehesten auf kommunaler Ebene. Als Beispiel sei die Energiewende genannt mit auch oft umstrittenen, erneuerbaren Projekten. Da gelingt es schon auch, Überzeugungsarbeit zu leisten. Aber halt beileibe auch nicht immer.
Wo gibt es im Tourismus Gesprächsbedarf? Ich bin jetzt nicht der Tourismusexperte, aber natürlich hat die Pandemie gezeigt, wie verwundbar dieser Pfeiler der heimischen Wirtschaft ist. Auch hier darf man nicht vergessen, wie unterschiedlich die Positionierung mancher Regionen ist und wie heterogen auch die Interessen innerhalb der Branche.
Finden diese notwendigen Dialoge statt? Falls nicht: Warum? Die Notwendigkeit wird vielleicht schon gesehen, aber der Konflikt wird einerseits vorgelebt – der Kompromiss hat auch nicht immer die beste Nachred’ – und dann werden eben etwa in den „sozialen“ Netzwerken auch offensives Verhalten und Sprache eher belohnt. Da bräuchte es eigentlich andere Anreize.
Welche Fehler hat die Branche in Sachen Kommunikation in den letzten Jahren gemacht? So pauschal lässt sich das nicht sagen. Natürlich war in einzelnen, wenigen Bereichen die ignorante Haltung gegenüber der Pandemie etwas, das dann der ganzen Branche zum Schaden gereichte. Das ist zwar unfair, aber in der Simplifizierung oft die Folge. Ich denke, dass es generell gelingen muss, Österreich als Urlaubsland mit einzigartigen Attributen aufzuladen. Aber einen Konsens herzustellen, welche das sein sollen, wird wohl auch kein einfacher Dialog innerhalb der Branche.
Zur Person
Thomas Hofer ist einer der bekanntesten
Politikberater Österreichs und unter anderem regelmäßig
zu Gast
in der ZIB.
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