Weltspitze mit Luft nach oben

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Der liebe Gott hat uns reich beschenkt“, ist Tourismusberater Jakob Edinger überzeugt. „Wunderschöne Täler, beeindruckende Gebirge und einzigartige Landschaften machen Tirol einmalig.“ Doch auch wenn naturgegebene Bedingungen die Grundlage für Tirols Status als eine der weltweit erfolgreichsten Tourismusregionen sind: Ihnen alleine hat das Land seinen Rang als Top-Destination nicht zu verdanken. Vielmehr steht dahinter das, was im Laufe der Jahrzehnte auf diesem Fundament entwickelt und erarbeitet worden ist. „Tirol verfügt über eine besondere Angebotsstruktur“, erläutert Edinger. „Sie trägt einen wichtigen Teil zu der Qualität bei, die wir unseren Gästen bieten.“
Gewachsene Qualität
Anders als in vielen Ländern tut sich der Tiroler Tourismus durch seine gewachsene Kleinteiligkeit hervor. Wo andernorts klein- und mittelständische Unternehmen schon lange Konzernen und Ketten gewichen sind, spielen hierzulande Familienbetriebe noch immer eine wichtige Rolle. Darin sieht Edinger ein wichtiges Erfolgsrezept, das der Tourismus erkannt, gepflegt und weiterentwickelt hat: „Kleinteiligkeit erlaubt Flexibilität und Individualität. Aber vor allem ermöglicht sie es, Gästen mit authentischer Herzlichkeit und Gastfreundschaft zu begegnen.“ Dank dieser gewachsenen Struktur, in der Gastfreundschaft zur Tradition gehört, kann Tirol eine tief verwurzelte und enorm hohe Dienstleistungs-Qualität bieten, die sich kaum imitieren oder künstlich erzeugen lässt.
Geplant investiert
Dem hochqualitativen Service – gewissermaßen der „Software“ des Tourismus – steht ebenso hochwertige „Hardware“ gegenüber. „Kaum ein Land kann mit so flächendeckender Infrastruktur am neuesten Stand aufwarten wie Tirol“, meint Siegfried Egger, Bundesobmann des Fachverbands Hotellerie der Wirtschaftskammer Österreich. Das betreffe sowohl Hotellerie und Gastronomie als auch Freizeiteinrichtungen wie Berg- und Seilbahnen.

„Tirol verfügt über ein extrem engmaschiges Netz unterschiedlichster Freizeitangebote.“
„Die langjährigen und gezielten Investitionen machen sich in der gesamten Branche bezahlt und garantieren Qualität. Ein hervorragendes Beispiel dafür sind Beschneiungsanlagen, die zunehmend an Bedeutung gewinnen“, sagt Egger. Alleine in das Thema Schneesicherheit wurden in den vergangenen zwei Jahrzehnten tirolweit knapp eine Milliarde Euro investiert, wodurch mittlerweile so manche problematische Wintersaison entschärft werden konnte. Und auch abseits des Winters machen sich die Aufstiegshilfen bewährt. „Bei weitem nicht alle, die nach Tirol kommen und ein Bergerlebnis suchen, sind Bergsteiger. Seil- und Bergbahnen sind so mittlerweile ein ganzjährig wichtiger Teil des Tiroler Tourismus-Motors.“
Individualität gefordert
Mit Dienstleistungen und Infrastruktur auf höchstem Stand hat Tirol hervorragende Karten im internationalen Vergleich. Doch der Tourismus-Markt wird dynamischer, und vor allem die Anforderungen der Gäste an ihre Destinationen verändern sich. Hier kommt die dritte Säule ins Spiel: „Wir sehen uns vor allem als Zulieferer des Tourismus“, erklärt Ferry Polai, Obmann der Fachgruppe Freizeit- und Sportbetriebe der Wirtschaftskammer Tirol. „Tirol verfügt über ein extrem engmaschiges Netz unterschiedlichster Freizeitangebote. Und weil wir ähnlich kleinteilig strukturiert sind, wie Hotellerie und Gastronomie, bieten wir ein sehr breites Spektrum.“

„Tirol verfügt über eine besondere Angebotsstruktur. Sie trägt einen wichtigen Teil zu der Qualität bei, die wir unseren Gästen bieten.“
Insgesamt fallen fast 2.000 Betriebe in ganz Tirol in die Sparte. Darunter Veranstaltungsbetriebe, die Events aller Größenordnungen umsetzen, wie Frei- und Hallenbäder, Fremdenführer, Reitbetriebe und nicht zuletzt Campingplätze, die in Tirol einen extrem hohen Standard aufweisen. Und auch zusätzliche Ausstattungen in Hotels, wie Billardtische, Fitness-Räume, Unterhaltungselektronik oder Musikanlagen, werden oft von Drittanbietern zur Verfügung gestellt und eingerichtet. So finden Gäste in Tirol das gewisse Extra und sehr breit gefächerte Möglichkeiten, ihren Urlaub zu verbringen.
„Das ist gerade angesichts von Entwicklungen wie stagnierender Skifahrertage wichtig“, meint Polai. „Gäste wünschen sich einen Urlaub als abwechslungsreiches Gesamterlebnis und Möglichkeiten, dieses individuell zu gestalten.“ Dabei tut sich die Freizeitwirtschaft nicht nur durch ein breites Angebot, sondern auch durch Innovationsgeist und Trendsicherheit hervor: Von der Kostümführung über Schneeschuh- und Themenwanderungen bis hin zum Wintercamping finden Gäste in Tirol Erlebnisse, die sich abheben.
Lenkungsbedarf?
Auch wenn die Kleinstrukturiertheit dem Tiroler Tourismus viel Flexibilität und fruchtbaren Boden für Innovationen bietet, ist sie nicht unantastbar, warnt Bernhard Wanner, Geschäftsführer der Fachgruppe Freizeit- und Sportbetriebe: „Kleinere Betriebe sind anfällig für Überregulierung.“ Bürokratismus bei Genehmigungen können ebenso zu Einbußen beim Innovationspotenzial und damit bei der Qualität führen wie Regulierungen und Abgaben, die über das Ziel hinausschießen. „Mit der Abschaffung der Vergnügungssteuer haben wir einen Schritt in die richtige Richtung getan. Inzwischen rudern einige Gemeinden aber wieder zurück“, mahnt er.
Der Tourismus-Markt wird dynamischer, und vor allem die Anforderungen der Gäste an ihre Destinationen verändern sich.

„Wir werden Mittel und Wege finden müssen, um zu garantieren, dass alle Tirol erleben können, ohne sich gegenseitig die Qualität des Bergerlebnisses zu nehmen.“

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Bedarf für Lenkung ortet Bernhard Wanner allerdings bei Besucherströmen. Mit der immer diversifizierteren Nutzung der Infrastruktur steige das Konfliktpotenzial. Waren es in den 1990ern noch Skifahrer und Snowboarder, zwischen denen es Reibungen gab, kommen inzwischen Skitourengeher dazu. Und im Sommer sind neben Wanderern und Mountainbikern inzwischen E-Bikes unterwegs, die für immer mehr Verkehr im Gebirge sorgen. „Wir werden Mittel und Wege finden müssen, um zu garantieren, dass alle Tirol erleben können, ohne sich gegenseitig die Qualität des Bergerlebnisses zu nehmen.“
Schnell und komfortabel
Und nicht nur am Berg wird es eng. Auch das Erreichen des Urlaubsortes wird zusehends – und im wahrsten Sinne des Wortes – zum Flaschenhals. Beim Thema Mobilität findet sich ein entscheidender Faktor für Tirols touristische Zukunft, ist Siegfried Egger überzeugt. Sowohl, weil der Verkehrskollaps bei der Anreise zu vielen Destinationen bereits die Urlaubserfahrung mindere, als auch, weil eine immer größere Gruppe von Gästen kein Auto mehr besäße.

„Zeit und Komfort sind Faktoren, die für immer mehr Gäste Qualität definieren werden.“

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„Zeit und Komfort sind Faktoren, die für immer mehr Gäste Qualität definieren werden“, meint Egger. „Hier sind Lösungen mit Weitblick gefragt – sowohl von den Regionen als auch von der Politik.“ Denn auch wenn schon manche Gemeinde bereits hervorragende Konzepte für autofreie Urlaubsorte entwickelt und umgesetzt hat, verlagern diese das Problem bislang nur auf die Zubringerstraßen. Mit „Tirol auf Schiene“ wurde eine Initiative gestartet, um den Gästen die Urlaubsanreise per Bahn schmackhaft zu machen.
Gefährdetes Fundament
Schlussendlich ist es aber nicht nur der Blick nach vorne, der zur Qualitätssicherung in Tirol nötig sein wird. Auch dem Fundament des Tourismus muss Aufmerksamkeit geschenkt werden. „Wie in vielen Branchen haben auch in unserer Sparte immer weniger Einheimische Interesse am Dienstleistungssektor. Um die hohe Servicequalität aufrechtzuerhalten, sind wir schon lange auf helfende Hände aus anderen Ländern angewiesen“, erklärt Jakob Edinger. Deswegen müsse die Branche wieder attraktiver für Einheimische werden. „Das funktioniert aber nur mit verbesserten Arbeitsbedingungen und adäquater Entlohnung. Das bedeutet: mehr Mitarbeiter, die weniger Wochenstunden sammeln, geordnete Ruhezeiten sowie angemessene Löhne“, nimmt er sowohl die Branche als auch die Wirtschaft in die Pflicht.
Und auch Tirols natürlich gewachsene Ressourcen sind alles andere als in Stein gemeißelt, warnt der Experte. Ganz im Gegenteil, denn aktuelle Projekte zur Orts- und Talboden-Entwicklung bringen die Gefahr qualitativer Einbußen mit sich. „Vielerorts wird Zersiedelung zunehmend zum Problem“, sagt Edinger. Natürlich wolle jede Gemeinde sozialen Wohnbau, eine Gewerbezone und Siedlungen. „Diese ungeordnete Entwicklung führt aber auch zu einem Verlust an touristischer Attraktivität. Gäste haben klischeehafte Erwartungen an ein Tiroler Dorf. Und dem müssen wir bis zu einem gewissen Grad gerecht werden.“
Hier gelte es wie überall, das richtige Mittelmaß zu finden, um der Symbiose zwischen Lebensqualität für die Einheimischen und den Bedürfnissen der Gäste gerecht zu werden. „Das in Einklang zu bringen, ist ein sehr hohes Ziel“, meint Edinger. „Das Verhältnis ist zwar noch weitestgehend intakt und die Tourismusentwicklung steuerbar – aber es ist Vorsicht geboten, denn wir erreichen Grenzen.“
Sichtbar gemacht
Qualität im Tourismus zu messen ist schwierig. Sie ist von individuellen Wünschen abhängig. Erst anhand der Gäste-Zufriedenheit wird sie in vielen Fällen sichtbar. Die T-Mona Urlauberbefragung von 2013/2014 bescheinigt Tirol hohe Qualität: 36 Prozent aller Gäste haben angegeben, „äußerst begeistert“ zu sein.
Sowohl die Winter- als auch die Sommergäste sahen Tirols Stärken vor allem in Landschaft und Natur, ebenso wie im Sport- und Freizeitangebot. Und auch die Gastfreundschaft war eine der häufigsten Antworten.
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