Stabiles Modell

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Wer in Tirol die Dienste von Gastronomie und Hotellerie, Freizeit- und Sportbetrieben, Reisebüros, Kinos, Kultur-, Vergnügungs- und Gesundheitsbetrieben in Anspruch nimmt, hat es mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einem Familienunternehmen zu tun: 92 Prozent aller Betriebe in der Sparte Tourismus und Freizeit sind familiengeführt, der weitaus überwiegende Teil sind KMU. Über Jahrzehnte gewachsen, prägen diese Strukturen den Tiroler Tourismus – und bieten viele Vorteile, wenn es darum geht, Qualität zu gewährleisten.
72 %
aller Hotelbetriebe
haben weniger als zehn Mitarbeiter. Dadurch herrschen flache Hierarchien.
92 %
aller Tourismusunternehmen
in Tirol sind familiengeführt. Knapp ein Drittel davon soll in den kommenden 15 Jahren übergeben werden.
Regional verankert
Denn Gäste suchen in Tirol oft genau jene Werte, für die Familienbetriebe stehen: „Gastfreundschaft, Tradition, Authentizität und Herzblut“, wie Anita Zehrer, Leiterin des Zentrums Familienunternehmen am MCI, ausführt. In vielerlei Hinsicht können sich Familienbetriebe also einfach auf ihre Stärken besinnen, wenn sie hohe Qualität bieten wollen.
In der Regel sind sie in der Region verankert und bemühen sich dort um eine stabile wirtschaftliche Entwicklung. Meist herrscht ein positiver Unternehmergeist: Das Hotel, die Pension oder das Restaurant soll lange erhalten bleiben und an die nächste Generation weitergegeben werden. Auch der Umgang mit Mitarbeitern und Lieferanten ist von menschlicher Verbindlichkeit, Werten und Kontinuität geprägt. Durch die Betriebsgröße – 72 Prozent aller Hotelbetriebe haben weniger als zehn Mitarbeiter – herrschen zudem flache Hierarchien. Als Folge davon vertrauen Mitarbeiter auf die Stabilität und Verlässlichkeit eines Unternehmens, bleiben ihm länger erhalten und sind motivierter als in nicht familiengeführten Betrieben. Kein Wunder, dass dies auch nach außen sichtbar wird: Wo Mitarbeiter sich wohlfühlen und sich mit dem Unternehmen identifizieren, geben sie dies auch an die Kunden weiter.

Jeder Gast hegt bestimmte Erwartungen und gleicht sie mit der tatsächlich erfahrenen Leistung ab. Nur wenn seine Erwartungen übertroffen werden, ist er zufrieden.
Strategisch denken
Dass Betriebe klein und ihren Traditionen verbunden sind, kann sich mitunter auch als Nachteil erweisen. Innovationen bzw. Anpassungen an sich immer schneller verändernde Ansprüche der Gäste werden hintangestellt. Konflikte können in Familienunternehmen sowohl auf persönlicher als auch auf betrieblicher Ebene zum Tragen kommen.
Als besonders herausfordernde Phasen erweisen sich die, in denen Betriebe von einer Generation an die nächste übergeben werden. Sind die betrieblichen und finanziellen Voraussetzungen dafür gegeben, geht es darum, die Rollen neu zu verteilen. Damit der Erfolg eines (Familien-)Betriebs anhält, müssen Unternehmer über das operative Tagesgeschäft hinaus Strategien für die Zukunft entwickeln, für Neuerungen offen sein, die nachkommende Generation rechtzeitig in den Betrieb einbinden und bei ihr „die Tourismusgesinnung positiv halten“, sagt Anita Zehrer.

„Das unternehmerische Handeln in Familienunternehmen ist stark von Werten geprägt, das spüren die Gäste.“
Feedback ernst nehmen
Am Beispiel Digitalisierung zeigt sich, wo Familienbetriebe mit einfachen Mitteln ansetzen können. Sie können dafür sorgen, dass ihre Angebote online buchbar sind und Anfragen per E-Mail rasch beantwortet werden – ebenso korrekt wie ein Geschäftsbrief und immer verbunden mit einem konkreten Angebot. Positives Feedback gerne anzunehmen und auf Beschwerden zu reagieren – unabhängig davon, ob sie persönlich an den Unternehmer herangetragen werden oder ihn über soziale Netzwerke erreichen – verbessert die Kundenzufriedenheit. Social Media sind zudem ein Feld, in dem sich junge Mitarbeiter und/oder Familienmitglieder profilieren können.
Kooperationen nützen
In puncto Digitalisierung, aber auch in etlichen anderen Bereichen muss trotzdem „keiner das Rad neu erfinden“, so Anita Zehrer. Gerade kleine Betriebe können nicht jede Erwartung, die ein Gast an seine Urlaubsdestination hat, erfüllen. Kooperationen einzugehen, hat sich in diesem Zusammenhang bewährt. Diese können horizontal – mit den Mitbewerbern – oder vertikal – mit Betrieben aus anderen Branchen – geschlossen werden. Gehen Hotels mit Museen, einem Hallenbad oder einem örtlichen Bäcker eine Kooperation ein, verbinden sie sich mit Vertretern der Landwirtschaft oder Kultur und verstehen sie sich als Teil der Destination, dann können sie ihren Gästen eine größere Vielfalt anbieten.
Im Endeffekt profitiert bei solchen Modellen „jeder von jedem“, führt Anita Zehrer aus und verweist darauf, dass sich in dieser Hinsicht vieles im Tourismus verändert habe. „Das Kirchturmdenken nimmt in den letzten Jahren stark ab. Viele Betriebe wissen, dass jeder von ihnen mit Kooperationen besser fährt.“
Wow
Familienbetriebe punkten auf der Beziehungsebene. Wer seinen Gästen besonders aufmerksam begegnet, sie über neue Angebote informiert oder um ein Feedback bittet, sorgt für jene Begeisterungsfaktoren – Wow-Effekte –, die Kunden dazu bewegen, wiederzukommen und einen Betrieb weiterzuempfehlen.
Forschung, Beratung, Weiterbildung
Anlaufstellen für Familienunternehmen:
- MCI, Zentrum Familienunternehmen
- Universität Innsbruck, Institut für strategisches Management, Marketing und Tourismus
- Wirtschaftskammer Österreich
- KMU-Forschung Austria
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