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QUALITÄT IM TOURISMUS

Selbst am Image arbeiten

Dass Berufe im Tourismus einen nach wie vor schlechten Ruf haben, ist Fakt. Dagegen lässt sich viel unternehmen – im Großen wie im Kleinen. Das Stichwort heißt: Engagement und Kreativität.

FEBER 2018Text: Susanne Gurschler
Sepp Haueis und seine Familie führen mit dem Postgasthof Gemse ein traditionsreiches Tiroler Wirtshaus.
Sepp Haueis und seine Familie führen mit dem Postgasthof Gemse ein traditionsreiches Tiroler Wirtshaus.
© Axel Springer

Sepp Haueis hat schon viel erlebt. Seit über 50 Jahren ist er Koch, gelernt hat er bei internationalen Größen unter anderem in Frankreich. Seit 30 Jahren leitet er den elterlichen Betrieb, den Postgasthof Gemse in Zams. Was seine Küche verlässt, hat Sterneniveau – auf derartige Auszeichnungen allerdings „pfeift“ er, weil er diesen Druck in seiner Küche nicht haben will. Viele Lehrlinge standen an seinem Herd, wenige zeigten neben Leidenschaft die nötige Ausdauer und eigentlich wollte er keinen mehr nehmen. Doch dann kam ein junger Mann, Absolvent der Handelsakademie, Militärdienst bereits absolviert, und bat, bei ihm eine Kochlehre beginnen zu dürfen – ein „Glücksfall“, sagt Haueis.

Derartige Glücksfälle sind selten. Der Tourismus leidet an Fachkräftemangel, in einigen Bereichen sind kaum noch Lehrlinge zu finden, wirklich motivierte noch weniger. Das hat viele Gründe, einer der folgenreichsten: Tourismusberufe haben ein negatives Image. Die Touristiker steuern seit Jahren dagegen: Die beruflichen Möglichkeiten sind groß, die Branche krisensicher und auf Expansionskurs.

„Unsere Devise lautet: Weniger ist mehr.“

Sepp Haueis, Koch und Gastronom

Wo alles herkommt

Sepp Haueis hat es nicht bereut, den jungen Mann zu nehmen. Rund zehn Menschen beschäftigt der Gastronom, alle Stammpersonal. Würde einer ausfallen, hätte er ein Problem, sagt der Gastronom. Er will zurück zu den Wurzeln: Weniger ist mehr, lautet die Devise. Die Speisekarte ist überschaubar, dafür ist alles frisch gekocht und wird im Haus produziert. „Hausgemacht ist ja alles, aber selbstgemacht ist mit den eigenen Händen hergestellt“, betont der Koch. Das erhöht die Freude bei den Mitarbeitern. Sie sind an einem kreativen, abwechslungsreichen Prozess beteiligt und identifizieren sich mit dem, was auf den Tisch kommt. Für Haueis ist es selbstverständlich, dass sein Lehrling sich mit den Rohstoffen und Zutaten intensiv auseinandersetzt.

Er unterstützt die Initiative „Kooperation Tourismus und Landwirtschaft“ der Fachberufsschule für Tourismus in Landeck und der Landwirtschaftlichen Landeslehranstalt (LLA) in Imst. Ziel ist es, das Bewusstsein der Berufsschüler in Bezug auf regionale Lebensmittel und deren Verwendung zu schärfen. Bei Besuchen in der LLA lernen die Auszubildenden, wie Joghurt und Käse produziert werden. „Sie kommen in Kontakt mit den Herstellern, können sich mit diesen austauschen, gemeinsam neue Ideen entwickeln und das Wissen weitergeben – ob in der Küche oder im Service“, freut sich Haueis, der seinen Lehrling auch zum Metzger und zum Bäcker schickt, damit er einen authentischen Einblick in das Handwerk und die Güte der jeweiligen Produkte bekommt.

Offene Lehrstellen und Lehrstellensuchende 2013 – 2017
© QUELLE: AMS TIROL

Die Vollautomatisierung, 24 Stunden ohne Personal, die längst auch in der Hotellerie Einzug hält, ist ihm ein Gräuel. „Das kann doch nicht die Zukunft sein“, sagt Haueis kopfschüttelnd. Die Bedingungen für Klein- und Mittelbetriebe müssen radikal geändert werden, so der Gastronom: „Allein die Strafen, die bei der Allergenverordnung vorgesehen sind, können ein Gasthaus ruinieren. Gerade die Klein- und Mittelbetriebe aber vermitteln die Einzigartigkeit und die Unverwechselbarkeit Tirols.“

Mario Gerber

„Es ist längst einfacher, gute Gäste als gute Mitarbeiter zu bekommen.“

Mario Gerber, Gerber Hotels

Den Mitarbeitern der Gerber Hotels steht ein eigenes Mitarbeiterhaus zur Verfügung, das bestens ausge­stattet ist.
Den Mitarbeitern der Gerber Hotels steht ein eigenes Mitarbeiterhaus zur Verfügung, das bestens ausge­stattet ist.
© Gerber Hotels

In die Zukunft investieren

„In einer immer stärker digitalisierten Gesellschaft wird die Strategie ‚High Tech ohne High Touch‘ nicht zukunftsfähig sein, denn dann fehlt das Wesentliche für glückliche Ferien- und Freizeit“, unterstreicht auch Josef Margreiter, Geschäftsführer der Tirol Werbung (siehe Interview rechts). 

Investieren in gute Mitarbeiter heißt: investieren in die Zukunft der Betriebe. Davon ist Mario Gerber, Geschäftsführer der Gerber Hotels und Obmann der Fachgruppe Hotellerie überzeugt. Die Hotelkette beschäftigt rund 180 Mitarbeiter.

Kürzlich hat das Unternehmen ein Mitarbeiterhaus für rund 100 Personen eröffnet, das alles Stückeln spielt – von großzügigen Räumen über Glasfasernetz, damit die Mitarbeiter via Skype oder Videotelefonie mit ihrer Familie kommunizieren können, bis hin zu fremdsprachigen Fernsehprogrammen für die ausländischen Mitarbeiter. Zudem bietet die Kette in einer eigens gegründeten Akademie Mitarbeitern Fortbildungsmöglichkeiten und Freizeitbeschäftigungen. Neue Kräfte werden hier eingeschult.

Wie es bessergeht

„Gute und motivierte Mitarbeiter sind eine extrem wichtige Säule. Es ist längst einfacher, gute Gäste als gute Mitarbeiter zu bekommen“, betont Gerber: „Wir sehen es als unsere Pflicht, die Beschäftigten optimal zu betreuen, und haben hier eigene Strukturen geschaffen.“ Eine Ressourcenabteilung mit zwei Mitarbeitern steht den Beschäftigten das ganze Jahr über zur Seite; sie ist Anlaufstelle bei persönlichen Problemen oder innerbetrieblichen Schwierigkeiten, bei Behördengängen und anderen Fragen. Eine derart kostenintensive Einrichtung will allerdings wohlüberlegt sein, schließlich müssen Betriebe im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten agieren. 

Mit Kreativität und Engagement lasse sich viel erreichen, ist Gerber überzeugt: „Der Arbeitgeber hat es in der Hand, ein positives wertschätzendes Umfeld zu schaffen.“ Zudem müssten auf politischer Seite die Rahmenbedingungen geändert werden. „Starke Bürokratisierung, hohe Auflagen, strenge Arbeitszeitgesetze lähmen die Branche“, betont der Hotelier. 

Der Fachkräftemangel ist seit Jahren ein brennendes Thema. Umso wichtiger sind die kleinen und großen Initiativen, die die Tiroler Touristiker setzen und dem Berufsfeld damit wieder ein positives Image geben.

Offene Lehrstellen
© QUELLE: AMS TIROL
THEMEN IN DIESEM ARTIKEL:
#Arbeiten im Tourismus#Qualität
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