„Es geht nur gemeinsam“

© Gerhard Berger
Saison: Haben Städte Vorteile, wenn es darum geht, sich als Ganzjahresdestination zu positionieren? Barbara Plattner: Auf jeden Fall. Das Begleitprogramm, das eine Stadt ganzjährig möglich macht – Konzerte, Theatervorstellungen, Museen, alles, was indoor, wetter- und jahreszeitenunabhängig ist –, da hat eine Stadt einen absoluten Vorteil gegenüber den Ferienregionen. Aber das Reisemotiv muss schon trotzdem so stark sein, dass jemand hinfährt. Einfach nur zu sagen, wir sind eine Stadt und wir haben ein Museum, reicht nicht aus, um zu begeistern.
Wie begeistert Innsbruck? Katharina Schnitzer-Zach: Dieser bunte Mix aus kulturellem und sportlichem Angebot mit dem Naturraum in unmittelbarer Nähe bewirkt schon ganz viel, auch die Witterungsunabhängigkeit durch das Indoorangebot, die junge Szene, die Studierenden, die verschiedensten Branchen in der Stadt.
Plattner: Das kann ich absolut unterschreiben. Es ist diese alpin-urbane Lebensfreude, die Innsbruck nicht nur für die lokale Bevölkerung, sondern auch für Gäste ausmacht. Die Natur, die Berge, aber auch die großen Leuchtturmprojekte der letzten 20 Jahre wirken als Reiseanlass – die Bergiselschanze, die Nordkette, auch der Patscherkofel. Es gibt kaum eine Stadt, wo der Zugang in den alpinen Raum so einfach und barrierefrei ist wie in Innsbruck, und das zeichnet uns aus und macht uns erfolgreich. Wenn man es ganz genau nimmt, wusste auch Kaiser Maximilian schon, dass ein Tourismusstandort funktioniert, wenn es Leuchtturmprojekte gibt. Ohne ein Goldenes Dachl, ohne diese tollen Infrastrukturen hätte Innsbruck nicht diesen Reiz. Das sind alles Dinge, die man nicht unterschätzen darf.
Zur Person:
Barbara Plattner
ist die Geschäftsführerin
von Innsbruck Tourismus.
Zur Person:
Katharina Schnitzer-Zach
leitet das Innsbrucker Hotel Zach und ist 1.
Obmann-Stellvertreterin bei Innsbruck Tourismus.
Was bringt es ganz generell, auf Ganzjahrestourismus zu setzen? Schnitzer-Zach: Eine Entzerrung der Spitzenzeiten, bessere Planbarkeit, eine erhöhte Attraktivität als Arbeitgeber, eine bessere Auslastung von Kapazitäten. Wenn ich in die Randzeiten rücke, haben alle ein bisschen mehr davon: Man kann besser planen, muss weniger Schwankungen ausgleichen und es geht den Mitarbeiter:innen besser.
Plattner: Wenn man sich das gesamthafter anschaut, kommt auch dazu, dass wir Wirtschaftswachstum brauchen werden, um den Wohlstand zu halten. Wenn wir das weiterhin in den Hochsaisonen vorantreiben, überlasten wir die Bevölkerung, die Natur und den Lebensraum. Ein gesundes Wirtschaftswachstum passiert in den Randzeiten.
Ist Innsbruck schon eine Ganzjahresdestination? Schnitzer-Zach: Was das Angebot der Hotels und deren Öffnungszeiten anbelangt, definitiv: 90 Prozent der Betriebe im Stadtgebiet haben mehr als zehn Monate im Jahr offen.
Plattner: Im Gesamtverband hält sich die Nachfrage während der Sommersaison (55 Prozent) und der Wintersaison (45 Prozent) in etwa die Waage, da haben wir also schon eine sehr gute Balance. Wenn man genauer hinschaut, hat das Kühtai mit dem starken Winter einen ausgleichenden Effekt. In der Stadt haben wir im Winter, abgesehen vom Peak in der Vorweihnachtszeit, und dann auch bis Mai, April auf jeden Fall Luft nach oben.
Welche Maßnahmen werden von Innsbruck Tourismus gesetzt, um das auszugleichen? Plattner: Sponsoring- und Eventstrategien sind ganz wichtig. Wir sind außerdem ein Wissenschaftsstandort, und das hilft gerade auch in Zeiten, in denen das private Reisen nicht so beliebt ist, denn das sind Monate, die für berufliche Reisen zu Tagungen und Kongressen genutzt werden. Es ist uns gelungen, ab Jänner 2024 gemeinsam mit der Stadt die Kongressförderung auf 100.000 Euro zu verdoppeln, und wir unterstützen zum Beispiel auch die Veranstalter und Betriebe bei Green-Meeting-Zertifizierungen.
Schnitzer-Zach: Auch die Welcome Card ist wichtig. Damit wollen wir die Aufenthaltsdauer verlängern, indem wir sagen, je länger der Gast bleibt, umso mehr ist in dem Package inkludiert.

© Tirol Werbung/Verena Kathrein
Und solche Maßnahmen funktionieren auch? Plattner: Absolut. Das Paradebeispiel ist sicher die Innsbrucker Bergweihnacht. Bevor man die Christkindlmärkte professionalisiert, sie als Bergweihnacht zusammengefasst und sich entschieden hat, ein gemeinsames Marketing zu machen, war die Vorweihnachtszeit touristisch ein richtiges Loch. Das waren maßgebliche Entscheidungen, die dazu beigetragen haben, dass die Zeit belebt wird und Wertschöpfung entsteht – nicht nur für die Nächtigungsbetriebe, sondern auch für den Handel und den Standort insgesamt.
Gibt es ähnliche Erfolgsbeispiele oder Ideen für die Randzeitenbelebung? Schnitzer-Zach: Ich glaube, die Bergweihnacht ist wirklich die Nummer eins, auch in der Wertschöpfung. Wir müssen auf jeden Fall schauen, dass wir bei Sponsoringanfragen, gerade im kulturellen Bereich, versuchen, alles zu entzerren und zu sagen, okay, könnt ihr das statt im Juni vielleicht auch im April oder im Mai machen. Das sind strategisch wichtige Entscheidungen, damit wir zeitlich ein bisschen von diesen Peaks wegkommen.
Plattner: Ein gutes aktuelles Beispiel ist das neue Winter Dance Festival im Februar. Hierbei verfolgen wir genau den Ansatz, dass man versucht, gemeinsam mit einem Veranstalter einen Leuchtturm zu setzen und aufzubauen, um eine auslastungsschwächere Zeit zu beleben. Wir haben durchaus Wintersportler:innen, die in der Stadt ihren Urlaub verbringen – aber auf einem viel geringeren Niveau, als dies in den Ferienregionen der Fall ist. Dort ist der Februar absolute Hochsaison. In der Stadt selbst fehlt im Februar teilweise der Reiseanlass. Mit dem Winter Dance Festival versucht man, etwas zu entwickeln, das genau in diese Richtung geht. Und solche Dinge wird man sich auch für die anderen Monate zielgerichtet anschauen müssen.
Werden von der Politik die richtigen Maßnahmen und Signale für die Ganzjährigkeit im Tourismus gesetzt? Schnitzer-Zach: Ich habe im Vorfeld des Interviews recherchiert, wie sich Ganzjährigkeit definiert, wie viele Monate man dafür offen haben muss, und es war nicht rauszufinden. Für Deutschland findet man es, aber für Österreich nicht, da kann niemand etwas dazu sagen. Das muss man sich anschauen, denn was wäre denn beispielsweise eine Voraussetzung für eine Förderung im Ganzjahrestourismus?
Plattner: Das ist das eine – die Frage, was ist überhaupt ein Ganzjahresbetrieb. Dann fordern alle Tourismusstrategien Ganzjahrestourismus: Der Plan T will Ganzjahrestourismus, nachhaltigen Tourismus, ganzjährige Auslastungen, die Tiroler Tourismusstrategie ebenfalls, aber dann muss ich mir auch anschauen, wie ich die rechtlichen Rahmenbedingungen dafür schaffe. Ich kenne Betriebe, die eine ganzjährige Nachfrage haben, aber nicht offen bleiben können, weil sie ihre Mitarbeiter:innen für eine gewisse Zeit abmelden müssen, damit sie die Voraussetzungen für die Rot-Weiß-Rot-Karte erfüllen. Wenn ich Leuten keinen Ganzjahresjob anbieten kann, bringt das nichts. Das muss von ganz oben bis ganz unten zu Ende gedacht werden. In einer Strategie Vorschläge zu machen, ist eine Sache, realpolitisch für die Umsetzung zu sorgen eine andere.
Was ist unabhängig davon für Innsbruck geplant, um die Destination weiterzuentwickeln? Plattner: Wir stehen gerade am Anfang eines partizipativen Strategieentwicklungsprozesses auf breiter Basis. Da sind unsere Mitglieder, Politik, die Wirtschaftstreibenden und die Bevölkerung gleichermaßen gefragt, sich einzubringen, weil es nur gemeinsam geht. Der Tourismus ist ein Baustein für eine lebenswerte und erfolgreiche Region. Wir wollen die Leute mitnehmen, und da braucht es ein gemeinsames Zielbild, damit alle in die gleiche Richtung arbeiten. Es liegt auch in der Verantwortung aller Entscheidungsträger:innen, ob man es schafft, etwas weiterzubringen und etwas zu entwickeln. Wir stellen uns einen Ganzjahrestourismus vor, der wirklich durchgängig erfolgreich ist, bei dem es uns gelingt, die Saisonen gleichzeitig weiterzuentwickeln – wenn alle an einem Strang ziehen, bin ich mir sicher, dass uns das gelingen kann.
Vielen Dank für das Gespräch.
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