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Auf neuen Spuren

Tirol hat sich als Winterurlaubsdestination einen Namen gemacht, spricht aber das ganze Jahr über verschiedene Urlaubsmotive an. Auf dem Weg zur Ganzjahresdestination sind eine bunte Themenvielfalt sowie ein Miteinander zwischen der Branche und Bevölkerung essenziell.

DEZEMBER 2023Text: Eva Schwienbacher
Ganzjahrestourismus
Ganzjahrestourismus
© Target Group / Platzer

Als Winterurlaubsland genießt Tirol international einen exzellenten Ruf. Doch nicht immer schon hatte die kalte Jahreszeit die Bedeutung, die heute selbstverständlich scheint. „Blickt man zu den Anfängen des Tiroler Tourismus zurück, war der Sommer zunächst die dominierende Saison“, sagt der Tourismusberater Arnold Oberacher, der Tourismusregionen unter anderem beim Ausbau von Ganzjahresangeboten berät und begleitet. Das Bergsteigen und später auch die Sommerfrische waren es, die zu Beginn Gäste in die Alpen lockten. Gewandelt hat sich das unter anderem durch Investitionen in Infrastruktur, Pionierarbeit von engagierten Unternehmer:innen und folglich durch die Entwicklung von Sportevents, allen voran Skirennen und die Olympischen Winterspiele 1964 und 1976, die den Ruf Tirols als Wintersportdestination in die Welt hinausgetragen haben.

„Der Winter hat durch das Skifahren ein Alleinstellungsmerkmal, das der Sommer auf diese Art nicht hat“, sagt Oberacher. Der Tiroler Sommer hatte in Vergangenheit mehr Konkurrenz, etwa durch Strand-, Meer- und Fernreisedestinationen. „Zunehmende Reiseerfahrung und -sättigung, Verhaltens- und Bewusstseinsänderungen in Bezug auf Umwelt und Klima und der wiederentdeckte Reiz der Exotik in der Nähe bewirken hier vermehrt eine Trendumkehr“, weiß der Experte.

 

Erhoffte Effekte

Das Potenzial, Gästen das ganze Jahr über etwas zu bieten, sei jedenfalls gegeben. Beim Ausbau von Ganzjahresangeboten gelte es laut Oberacher, zwei Dinge zu berücksichtigen: „Wichtig ist, nicht bloß von Sommer und Winter, sondern von den Jahreszeiten und damit auch von Herbst und Frühling zu sprechen. Alle vier Jahreszeiten haben in den Alpen ganz spezielle Qualitäten und Reize und sind damit in der Lage, auch unterschiedliche Urlaubsmotive anzusprechen.“ Gleichzeitig dürfe man aber nicht außer Acht lassen, dass der Winter dem Land die größte Wertschöpfung bringe. „Winterurlaub ist ein Premiumprodukt, das die zahlungskräftigen Gäste anlockt. Es muss uns bewusst sein, dass wir in den anderen Saisonen diese Wertschöpfung nicht erzielen werden.“

Und trotzdem bringt eine übers Jahr gleichmäßigere Verteilung der Tirolbesucher:innen viele Vorteile. „Zusammenfassend kann man sagen, dass ein ganzjähriger Tourismus auf allen Ebenen –  ökonomisch, sozial und ökologisch – nachhaltiger ist.“

So sieht es auch Patricio Hetfleisch, Bereichsleiter Marketing und Kommunikation in der Tirol Werbung, die einen ganzjährigen Tourismus als strategisches Ziel festgelegt hat. „Im Fokus stehen hier die damit verbundenen positiven Effekte für die wirtschaftliche Stabilität Tirols, die Zukunftsfähigkeit des Landes und die Qualität und damit steigende Wertschöpfung des Tourismus“, erklärt Hetfleisch. Gelinge es, einen Ausgleich in allen Saisonen zu erzielen, könne man damit attraktivere, ganzjährige Arbeitsplätze schaffen, für Wachstumsperspektiven durch bessere Auslastung bestehender Infrastruktur sorgen, die saisonale Abhängigkeit reduzieren und so eine nachhaltige und zukunftsfähige Tourismuswirtschaft fördern.

Arnold Oberacher

„Winterurlaub ist ein Premiumprodukt, das die zahlungskräftigen Gäste anlockt. Es muss uns bewusst sein, dass wir in den anderen Saisonen diese Wertschöpfung nicht erzielen werden.“

ARNOLD OBERACHER, Gründer, Partner und Geschäftsführer der Tourismusberatung Conos.

Themenmix

In der Bewerbung Tirols als Ganzjahresdestination geht es laut Hetfleisch um die Stärkung des Sommers insgesamt, vor allem aber der weniger ausgelasteten Monate April bis Juni und September bis November. „Entsprechend der Jahreszeiten stehen Sonnenskilauf, Frühjahrs- sowie Herbstwanderungen und der Bauernherbst mit seinen vielen traditionellen Highlights im Vordergrund“, erklärt Hetfleisch. „Durchgängige Themen sind Wellness, Kulinarik und Kultur sowie Messen, Incentives, Kongresse und Events.“

Eine bunte Themenvielfalt sei es auch, die in Tirol dem Tourismusberater Oberacher zufolge notwendig sei, um bei Gästen das ganze Jahr über attraktiv zu sein. Jede Destination müsse für sich herausfinden, wo ihre Stärken in der schneefreien Zeit liegen. Neben einer Grundpositionierung brauche es weitere Schwerpunktthemen, sagt Oberacher und nennt ein Beispiel: „Eine Region kann sich als Familienregion positionieren und darauf aufbauend Schwerpunkte setzen, wie Gesundheit im Frühling, Sport im Sommer und Kulinarik im Herbst.“ Was ein mögliches Pendant zum Skifahren in der schneefreien Zeit betrifft, sieht er großes Potenzial im Bereich Biken – vor allem im erweiterten Sinne. „Im Moment liegt in Tirol der Fokus sehr stark auf Mountainbiken. Radfahren geht aber darüber hinaus und ist sehr vielseitig“, sagt Oberacher. „Mit Genussbiken inmitten eindrucksvoller Bergwelten kann man einem noch breiteren Publikum eine neue reizvolle Möglichkeit der Entdeckung alpiner Lebensräume bieten. Viele nicht alpine Regionen von der Toskana bis zur Nordsee zeigen dies ja bereits eindrucksvoll vor.“

 

Herausfordernde Kommunikation

Der Klimawandel und damit verbundene Folgen für die Alpen beeinflussen natürlich die Themen. „Die Zeiten sind rar geworden, in denen wir uns bereits im August mit verfügbaren Neuschneehöhen auf unseren Gletschern in den Märkten präsentieren konnten“, gibt Hetfleisch zu bedenken. „Der Wasserkreislauf der Erde ist aus dem Takt geraten. Im Vergleich dazu verblassen natürlich die operationalen Fragen. Dennoch ist es unsere Aufgabe, einerseits den Tourismus in Tirol bei einem guten Start in die Wintersaison zu unterstützen und andererseits Alternativen aufzuzeigen und das zu kommunizieren, was wir bieten können.“ Der Übergang von Sommer, Herbst und Winter sei jedenfalls viel fließender als bisher, es gebe keinen harten Schnitt mehr von Sommer- auf Winterkampagne. „Wir kommunizieren das Mögliche und nicht das Unmögliche.“

Tirols Gast im ...

... Winter
Ø 51,2 Jahre alt
53 % mit Uni-/FH-Abschluss
62 % mit mehr als 4.000 Euro monatlichem Haushaltsnettoeinkommen
73 % Stammgäste

kommt ...
33 % als Familie mit Kindern/Jugendlichen
29 % als Paar, 12 % mit Freund:innen
12 % im weiteren Familienkreis

Anreise mit ...
86 % dem Auto
7 %  der Bahn
4 % dem Flugzeug

 

Tirols Gast im ...

... Sommer
Ø 52 Jahre alt
38 % mit Uni-/FH-Abschluss
42 % mit mehr als 4.000 Euro monatlichem Haushaltsnettoeinkommen
59 % Stammgäste

kommt ...
43 % als Paar
28 % als Familie mit Kindern/Jugendlichen
10 % im weiteren Familienkreis

Anreise mit ...
85 % dem Auto
7 % der Bahn
3 % dem Wohnwagen/-mobil

Gemeinsamer Weg

Auf die Frage nach den Schattenseiten eines ganzjährigen Tourismus, wie weniger Erholungspausen für Betriebe, Mitarbeitende und die Natur, meint Oberacher: „Das Um und Auf sind ein abgestimmtes Miteinander von Touristiker:innen, Partner:innen und der Bevölkerung bei der Entwicklung von saisonbelebenden Initiativen sowie eine sachliche Argumentation und Kommunikation. Eine halbwegs ausgewogene, aufs Jahr verteilte Auslastung ist nicht nur angenehmer als ein paar konzentrierte Spitzenwochen im Jahr, die Investitionen in saisonale Infrastruktur machen das Freizeitangebot auch für Einheimische vielfältiger und tragen zu mehr Lebensqualität bei.“

Ähnlich sieht es Hetfleisch: „Die Balance zwischen ökologischen, ökonomischen und sozialen Bedürfnissen findet man nur im Dialog und in der Zusammenarbeit mit den Tiroler Tourismusverbänden, den Betrieben und den Einheimischen. Es gilt, gemeinsam daran zu arbeiten, keine Stop-and-go-Kultur zu fördern, in der sich ein sehr intensiver Tourismus und Dornröschenschlaf abwechseln. Die positive Beziehung zwischen allen Beteiligten muss wachsen können. Das benötigt Konstanz, stetige Weiterentwicklung und Kooperation.“

Patricio Hetfleisch

„Es gilt, gemeinsam daran zu arbeiten, keine Stop-and-go-Kultur zu fördern, in der sich ein sehr intensiver Tourismus und Dornröschenschlaf abwechseln.“

Patricio Hetfleisch, leitet den Bereich Marketing und Kommunikation in der Tirol Werbung.

THEMEN IN DIESEM ARTIKEL:
#Individualität#Qualität
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