Reduktion auf das Wesentliche

„Wir wussten, dass es eine Marketingschlacht geben wird, in der wir uns differenzieren müssen.“
Saison: Herr Hetfleisch, wie ist die
Sommer-kampagne entstanden? Patricio
Hetfleisch: Die ursprünglich geplanten Inhalte haben
nicht mehr in die Situation gepasst, deshalb haben wir
ab Ende März das gesamte Kampagnensystem neu aufgesetzt,
unterschiedliche Szenarien ausgearbeitet, wie sich die
Krise entwickeln könnte, und uns angesehen, wie und wann
andere Destinationen vermutlich kommunizieren werden.
Wir haben dann entschieden, dass wir Optimismus
verbreiten wollen, aber nicht so tun dürfen, als wäre
nichts passiert. So sind wir auf die Kampagnenführung
mit „Es geht Bergauf.“ gekommen.
Wie gut hat das funktioniert? Wir wussten, dass es eine Marketingschlacht geben wird, in der wir uns differenzieren müssen. Mit Motiven, die ohne die üblichen Klischees auskommen, authentisch, emotional und von einer gewissen Vorfreude geprägt, aber auch demütig und zurückhaltend sind, ist uns das gelungen. Gleichzeitig haben wir in der Zielgruppenansprache digitale und datengesteuerte Möglichkeiten, die wir in den vergangenen Jahren entwickelt haben, voll nutzen können. Der im Verhältnis zu anderen Destinationen vorhandene Budget-nachteil konnte dadurch abgefedert werden. Wenn man die spontane Werbeerinnerung anschaut, hat uns eine Studie den Spitzenwert unter allen Tourismuswerbern in ganz Österreich ausgewiesen. Das spricht schon dafür, dass sich unsere Arbeit gelohnt hat.
Die Großschreibung von „bergauf“ hat für Diskussionen gesorgt – was steckt dahinter? Wir mussten in der Phase mit allen Tricks arbeiten. Mein Hintergedanke war, dass „bergauf“ ja bei uns nicht nur für eine Richtungsangabe steht, sondern auch Ausdruck einer Grundhaltung ist. Deshalb habe ich gesagt, bitte schreiben wir das groß. Es geht um mehr als um Rechtschreibung, und ich wollte natürlich auch Diskussionen provozieren. Das hat sehr gut funktioniert und dabei geholfen, die Botschaft in den Köpfen der Menschen zu verankern – man hat sich darüber unterhalten, und das ist genau das, worum es geht. Unser Sujet mit dem Wanderer im nebligen Wald hat ja auch für Diskussionen und Kritik gesorgt, aber: Die Leute können sich daran erinnern.

© Tirol Werbung, Shutterstock.com
Wird dieser Weg auch mit der Winterkampagne verfolgt? Im Winter gibt es viel weniger natürliche Konkurrenz der Urlaubsformen, zumindest in Europa, deswegen kann man etwas klassischer arbeiten. Aber wir glauben, das Jahr 2020 in vielen Menschen etwas bewegt hat und man sich viel mehr auf einfache, echte Dinge fokussiert. In der Natur zu sein, hat eine ganz andere Wertigkeit bekommen, und in Tirol ist das leicht erreichbar: Wir sind infrastrukturell wunderbar angebunden, man kommt schnell in die Höhe und in eine Situation, in der man sich frei fühlt und der Beengtheit des Alltags entkommt. Wir versuchen, die Menschen dort abzuholen, wo sie emotional gerade sind.
Wie wird die Kampagne aussehen? Vor Weihnachten ist die Werbeintensität extrem, deshalb haben wir eine relativ ungewöhnliche Kampagne mit runden Schwarzweißbildern und Fragen wie „Wann haben Sie sich zum letzten Mal frei gefühlt?“ vorbereitet. Als Antwort folgt immer eine Winterszene aus Tirol, vom klassischen Skifahren bis hin zu echter Einsamkeit am Berg. Wir möchten die Leute anregen, ihre Sehnsüchte und Wünsche in Richtung Tirol zu orientieren, weil wir für die Dauer eines Urlaubs dafür sorgen können, dass man den Kopf frei bekommt und ausbrechen kann aus der doch bedrückenden Situation, in der man zurzeit fast ein wenig gefangen ist.
Warum runde Bilder? Alles Digitale im Marketingzirkus – Instagram, Facebook, Websites – ist rechteckig und bunt. Da ein rundes Element in Schwarzweiß zu sehen, noch dazu in einer auf das Wesentliche reduzierten Ausarbeitung, genauso wie wir Menschen derzeit reduziert sind auf das Wesentliche, ist aus meiner Sicht ein Ansatz, der sehr Erfolg versprechend ist. Wir sind überzeugt, dass wir unsere Ausgangsposition auf eine rasche Erholung des Tourismus damit deutlich verbessern können, sobald Reisen wieder möglich ist.
Vielen Dank für das Gespräch.
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