Ein besonderer Winter

© Blickfang, Tirol Werbung/Frank Bauer
1. Vieles ist im Moment unklar. Trotzdem: Was erwartet die Tiroler Tourismusbranche diesen Winter?
Mario Gerber: Es sind sehr, sehr herausfordernde Zeiten! Wir Unternehmer haben null Planbarkeit. Das heißt für uns Flexibilität, Individualität und sich immer wieder neu orientieren. Kurzfristige Ereignisse in die unternehmerischen Entscheidungen einzubeziehen, wird extrem in den Vordergrund rücken. Wir müssen bei allem der Gesundheit oberste Priorität einräumen, gerade in Tirol, da wir im März sehr im Schaufenster gestanden sind. An allererster Stelle steht deshalb die Gesundheit der Bevölkerung, der Mitarbeiter und der Gäste, und zwar hier in Tirol und in unseren Kernmärkten.
Franz Hörl: Das wird ein ganz schwieriger Winter. Es ist natürlich eine Katastrophe, wenn die Italiener, die Franzosen, die Bayern wollen, dass wir die Skigebiete ganz zusperren. Gott sei Dank haben Bundeskanzler Sebastian Kurz, die Bundesministerin für Tourismus Elisabeth Köstinger und Finanzminister Gernot Blümel dagegengehalten. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass wir im Dezember in dieser Situation sein könnten. Ich dachte, wir hätten das Schlimmste überstanden, und jetzt stehen wir vor einer Katastrophe. Mehr kann ich dazu im Moment eigentlich nicht sagen.
2. Die Gäste wollen einerseits Sicherheit, andererseits haben sie Angst, dass zu viele Verbote ihnen den Urlaub, den Aufenthalt verleiden. Wie ist der Tiroler Tourismus gerüstet und wie will er diesen Spagat schaffen?
Mario Gerber: Wir haben bereits im Sommer bewiesen, dass wir das super hinkriegen. Das Feedback der Betriebe und der Gäste war, dass wir mit unseren Sicherheitskonzepten absolut richtig agiert haben. Unsere Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus wurden akzeptiert – Sicherheit und Wohlfühlen waren gegeben. Das heißt: Wir haben im Sommer unsere Hausaufgaben gemacht. Ich bin sehr stolz, dass wir, also die Seilbahner, die Hoteliers, die Gasthäuser, diese umfangreichen Sicherheits- und Hygienekonzepte entwickelt und umgesetzt haben. Sie funktionieren, wir sind gerüstet! Deshalb schmerzt es mich umso mehr, dass wir als Branche derzeit nichts machen können. Die Zahlen müssen ganz einfach runter. Wichtig ist, dass wir jetzt Ruhe bewahren und nicht den Fehler machen, an der Preisschraube zu drehen, das wäre fatal.
Franz Hörl: Unser Winterkonzept, das Seilbahnunternehmer, Gastronomie, Hotellerie, Sportverleih und Skischulen gemeinsam entwickelt haben, berücksichtigt alle möglichen Gefahrenquellen. Es wurde vom Gesundheitsministerium und vom Tourismusministerium abgenommen! Es war und ist die Grundlage dafür, dass wir aufsperren können. Jetzt warten wir auf das Okay zum Eröffnen der Saison. Wir sperren auf, sobald die Verbote fallen. Wir sind gerüstet.

„Positive Stimmung ist total wichtig, aber die können wir nur dann verbreiten, wenn die Zahl der Coronainfizierten deutlich gesunken ist.“
3. Wichtige Quellmärkte, wie Deutschland, bremsen massiv. Was kann die Branche jetzt aktiv tun, um die Stimmung im Land und in den Herkunftsländern positiv zu unterstützen?
Mario Gerber: Uns allen muss klar sein: Mit den jetzigen Zahlen ist Tourismus definitiv nicht möglich! Wir müssen aufpassen, dass im Ausland nicht der Eindruck entsteht, die Gesundheit sei uns egal. Positive Stimmung ist total wichtig, aber die können wir nur dann verbreiten, wenn die Zahl der Coronainfizierten deutlich gesunken ist. Wenn die Gäste wieder reisen können, können wir mit unserer hervorragenden Dienstleistung in Kombination mit den Hygiene- und Sicherheitskonzepten gut wirtschaften. Wir wissen, dass der Gast Sicherheit honoriert, dass er Tirol immer schon als sicheres Urlaubsland wahrgenommen hat. Wir haben auch in Bezug auf Corona unsere Hausaufgaben gemacht.
Franz Hörl: Wir stehen natürlich vor gewaltigen Problemen. Und da geht es gar nicht um die Coronaampel, die ist ja nur zum Kindererschrecken. Die Challenge sind die Reisewarnungen aus Deutschland, aus Holland, aus den für den Winter wichtigen Märkten. Nachdem wir derzeit bei den Coronawerten viel schlechter dastehen als Deutschland, Italien und andere, haben wir auch keinen Grund, den Mund allzu weit aufzureißen.
4. Die Skigebiete sind vorbereitet bzw. bereiten sich vor, die Beschneiungen laufen, die Pisten werden präpariert. Wie wichtig ist es, sie auch dann zu öffnen, wenn die Reisewarnungen bestehen bleiben?
Mario Gerber: Was ich mir auf alle Fälle wünsche, ist, dass die Skigebiete und die Infrastrukturen aufmachen, damit die Tiroler sie nutzen können. Natürlich müssen die Unternehmen unterstützt werden, denn mit geringer Auslastung können sie nicht einmal eine Null als Ergebnis erzielen. Ich erwarte mir, dass Hotels, Gastronomie und Freizeitbetriebe finanziell unterstützt werden. Viele erwirtschaften in der Weihnachtszeit normalerweise rund ein Viertel ihres Jahresumsatzes! Wir brauchen den Tourismus mit seiner Bruttowertschöpfung für den Wohlstand in Tirol, es hängen ja viele weitere Branchen dran. Bei der Wirtschaftskrise 2008 hat der Tourismus die Wirtschaft in Tirol über Wasser gehalten, und jetzt braucht der Tourismus Solidarität. Wir müssen zusammenhalten und eine Spaltung zwischen Tourismus, Wirtschaft und Bevölkerung vermeiden!
Franz Hörl: Ich bin vehement dafür, wieder aufzumachen. Ich sage das immer wieder: Mit dem Aufheben der Verbote beginnt die Wintersaison! Natürlich sollen die Einheimischen die Wintersportinfrastrukturen nutzen. Für sie wird es wahrscheinlich ein tolles Weihnachten, weil sie leere Pisten vorfinden. Grosso modo sind sich die Seilbahnen ihrer Verantwortung dem Ort, der Region gegenüber sehr bewusst. Wenn sie zusperren, dann sind davon ja weitere Betriebe massiv betroffen. Das kann es nicht sein. Wir brauchen auch keine Sorge zu haben, dass uns jemand überholt. Die anderen haben ja derzeit die gleichen Probleme wie wir.

„Wir brauchen keine Sorge zu haben, dass uns jemand überholt. Die anderen haben ja derzeit die gleichen Probleme wie wir.“
5. Auch wenn derzeit alles in der Schwebe ist, keiner sagen kann, wie der Winter laufen wird: Wo glauben oder hoffen Sie, steht Tirol nächstes Frühjahr?
Mario Gerber: Ich gehe davon aus, dass wir aufgrund der Impfung, die kommt, aufgrund unserer Erfahrungen mit dem Virus lernen, mit Covid-19 zu leben und entsprechend zu handeln. Ich bin überzeugt, dass wir, wenn die Zahlen runtergehen, noch ein paar halbwegs gute Monate haben, sodass wir mit zwei blauen Augen davonkommen, nicht einem, sondern zwei. Als grundsätzlich optimistischer Mensch bin ich sicher, dass schon die Sommersaison um vieles planbarer wird und der nächste Winter dann, aufgrund des Impfstoffes, aufgrund des Umdenkens der Bevölkerung bereits ganz anders sein wird.
Franz Hörl: Kaffeesudlesen liegt mir nicht.
Weiter zum Gastkommentar von Reinhard Klier.
Das könnte Sie auch interessieren
Im Dienste der Bahn
36 Jahre widmete Hannes Parth der Entwicklung der Silvrettaseilbahn AG, 31 Jahre davon als Vorstand. Jetzt hat er sich aus dieser Funktion zurückgezogen.
Gemeinsame Kraftanstrengung
Ein Kommentar des Tiroler Tourismusreferenten LH Günther Platter
„Durch neue Projekte entsteht Energie“
Nach fast 24 Jahren an der Spitze der Tirol Werbung übernimmt Josef Margreiter mit Anfang kommenden Jahres die Geschäftsführung der Tirol Holding. Zeit, um Bilanz zu ziehen und einen Ausblick auf die neue Aufgabe zu werfen.